Der 1. Juli 2020 war ein bitterer Tag für alle, die es mit dem SC Preußen halten. Bitter, weil nach 90 Minuten gegen den SV Meppen nach fast einem Jahrzehnt der Abstieg aus der 3. Liga feststand. Alle mussten sich kräftig schütteln, um sich dann die Frage zu stellen, wie es denn nun weitergehen soll. „Nutzt den Abstieg als Chance für einen Neuanfang“, sagen die einen, den sofortigen Wiederaufstieg fordern die anderen, schließlich gehöre Preußen Münster mindestens in die 3. Liga. Das Meinungsspektrum ist so vielfältig wie unsere Fangemeinde selbst. Doch Niemand weiß so recht, wie es in der neuen Saison überhaupt weitergeht. Sportlich betreten wir Neuland, wenn in wenigen Tagen in Rödinghausen der 1. Anpfiff ertönt. Der Kader, so wie er bis jetzt zusammengestellt wurde, verdient unser Vertrauen: alte Bekannte, die schon in der 3. Liga zu den Leistungsträgern gehörten und ihre Verbundenheit zu unserem Klub zeigen, aber auch viele junge Talente, zum Teil ausgebildet im eigenen Bestand, die darauf brennen, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Hinzu kommen viele Unwägbarkeiten, die im Zusammenhang mit der noch längst nicht überwundenen Corona-Pandemie stehen.

Gleichwohl sind aktuell Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen, die zum einen die unmittelbare Zukunft angehen, die aber auch weit darüber hinausreichen. Es geht um die Existenz und um die langfristige Positionierung unseres Klubs angesichts einer Entwicklung des Profifußballs, von der Preußen Münster spätestens seit dem Abstieg aus der 2. Liga 1991 abgekoppelt ist. Man mag sich darüber grämen oder nicht, doch der aktuellen Situation muss man ins Auge schauen, und die heißt ab sofort „Regionalliga West“. Seit dem Abstieg aus der 2. Liga 1991 hat Preußen Münster 24 Jahre in der 3. Liga gespielt, davon jetzt 9 Jahre, seit 2011, in der eingleisigen Profi-Spielklasse.

Am Ende der Saison 2019/20 hat es dann nicht mehr gereicht. Trotz einer mehr als respektablen Rückrunde und dem Bemühen vieler konnte der Abstieg nicht mehr abgewendet werden. Unvergessen bleiben die Aktivitäten von Sponsoren und Fans („Aufholjagd“, „Niemals aufgeben“, „Supporters“), die die Wintertransfers überhaupt erst möglich machten. Dass all dies durch die Corona-Krise und insbesondere den unverantwortlichen Umgang des DFB mit seinen Mitgliedsvereinen noch nachdrücklich beeinflusst wurde, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Doch wie geht es weiter?

Es stellt sich an dieser Stelle dann die Frage, wie es um die Zukunft bestellt ist, nicht nur in der nächsten Saison, sondern weit darüber hinaus. Ganz sicher, der Abstieg war und ist eine bittere Pille. Selbstverständlich muss es das Ziel allen Bemühens sein, so schnell wie möglich den Wiederaufstieg zu schaffen. Aber wirklich um jeden Preis, wie mancherorts gefordert wird? Der Wiederaufstieg wird kein Selbstläufer werden. Und wenn es gelingt und wir in der Saison 21/22 wieder in der 3. Liga spielen  – würde es besser funktionieren können als in der jetzt abgelaufenen Spielzeit? Es muss angesichts der materiellen Möglichkeiten bei potentiellen Wettbewerbern als auch hinsichtlich struktureller und infrastruktureller Voraussetzungen doch auch die Frage erlaubt sein, ob die ausschließliche Fokussierung auf einen sofortigen Wiederaufstieg denn tatsächlich zu den erforderlichen nachhaltigen Veränderungen und damit einer Zukunftsfähigkeit unseres Klubs führen wird. Nochmal: Natürlich geht es darum, die 1. Mannschaft zu stärken. Sie ist und bleibt unser Flaggschiff, unser Aushängeschild. Und Niemand wird dagegen plädieren, anzugreifen, mitzumischen und so erfolgreich zu sein wie eben möglich. Doch wir alle müssen auch damit leben, dass dieser Weg ein Reformprojekt ist und dass ggf. auch Rückschläge in Kauf genommen werden müssen. Deshalb: Auf diesem Weg brauchen wir Geduld und einen langen Atem.

Nicht alles liegt dabei allein in unserer Hand. Hier ist z.B. das Stadionprojekt zu sehen. Es gibt Stimmen in dieser Stadt, die davon ausgehen, dass sich dieses Projekt mit dem Abstieg der Preußen erledigt habe. Das ist nicht nur falsch, es ist auch zynisch. Denn seit mehr als 30 Jahren wird über diese Maßnahme gestritten, diskutiert und entschieden: Es werden politische Entscheidungen vor Gerichten angefochten und aufgehoben, „Vorleistungen“ werden eingefordert. Doch gerade jetzt, gerade nach dem Abstieg, wird es darum gehen, mit allen Bereitwilligen in der Stadtgesellschaft und in der Region den Wert und die Bedeutung für Münster und das Münsterland immer wieder in den Vordergrund zu stellen. Die Partnerschaft für die kommende Saison mit einem starken, in der Region tiefverwurzelten Unternehmen macht dabei Mut und gibt Hoffnung.

Und dabei geht es ja nicht „nur“ um das Stadion als solches. Es geht um Trainingskapazitäten, ein Nachwuchsleistungszentrum. Seit vielen Jahren betreibt unser Verein eine erfolgreichere Nachwuchsarbeit als so mancher Zweitligist. Aber er erfüllt (noch) nicht die Voraussetzungen, die an eine Zertifizierung für ein NLZ zu stellen sind. Dass Preußen Münster in den Altersklassen U15, U17 und U19 in einer Liga mit den „Großen“ spielen darf, ist unter diesen Aspekten sensationell, das gilt auch für die Zugehörigkeit der U23 zur Oberliga West. Sind das nicht schon „Vorleistungen“, die den größten Respekt verdienen.

Wie könnte ein solcher Weg aussehen?

Ganz wichtig – neben dem sportlichen Weg – ist die Verankerung und Vernetzung des Klubs in der Stadt und in der Region. Der Verein muss sich stärker als bisher einbringen in die Debatten, die die Stadtgesellschaft bewegen. Wir müssen und werden den Prozess zur Entwicklung eines Leitbildes forcieren, ein Prozess, der inklusiv betrieben und Akteure von innerhalb wie von außerhalb des Vereins einbeziehen und mitnehmen wird. Dabei werden nicht ausschließlich sportliche Fragen und Probleme zu behandeln sein, der Verein muss sich klar bekennen zu ökologischer Nachhaltigkeit und sozialem Verantwortungsbewusstsein, zu Offenheit und Toleranz (die positiven Reaktionen auf die Fan-Aktivitäten gegen Rassismus im Stadion während des Spiels gegen Würzburg sollten uns hier nachdrücklich ermuntern).

Das klingt alles vielleicht sehr abgehoben und weit weg vom konkreten Fußballgeschehen, aber es trifft einen Lebensnerv in unserer weltoffenen Stadt, es trifft Menschen, die wollen, dass sich „IHR“ Klub einmischt und positioniert.

Und damit „zurück zum Fußball“.

Was bedeuten diese Bemerkungen, in denen ja Fragen und Aufgaben nur angerissen werden können, für die Aufstellung in der nächsten Zeit? Wie kann eine Ausrichtung z.B. auf die Stadt und die Region einbezogen werden in die sportlichen Überlegungen für die Zukunft, d.h. für die nächsten 2-3 Jahre? Wir müssen zunächst einmal in der Regionalliga ankommen, das wird für manchen insbesondere emotional schwieriger als vieles andere. Das setzt schon an dieser Stelle eine gute „Mischung“ des Kaders voraus, mit erfahrenen Spielern, hungrigen, jungen und ehrgeizigen Spielern am besten mit regionaler Verbundenheit. Auch und gerade die erfolgreiche und nachhaltige eigene Jugendarbeit sollte berücksichtigt werden, junge Eigengewächse und „Brückenspieler“ U23. Wir wollen und müssen ein „Ausbildungsverein“ sein – mit eigenen Werten und Überzeugungen, und mit dem Willen, damit erfolgreich zu sein. Ein solcher Weg kann nur erfolgreich sein, wenn alle ihn mitgehen. Wir haben jetzt die Möglichkeit, etwas aufzubauen, was Perspektiven nicht nur für die nächste Saison sondern weit darüber hinaus schaffen kann.

Zu einem solchen Weg brauchen wir alle, die bereit sind, diese Mühen auf sich zu nehmen. Alle, das sind die Verantwortlichen in den Gremien des Vereins, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle, die sportliche Leitung einschließlich des Trainerteams, die Mitglieder und Fans, unsere Partner in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft unserer Stadt und des Münsterlandes. Unser Hauptziel bleibt natürlich der sportliche Erfolg. Mit unserem nach wie vor gültigen Motto „Tradition mit Zukunft“ erklären wir uns weiterhin zu der langen und bewegten Fußballtradition unseres Vereins z.B. als Gründungsmitglied der Bundesliga. Wir wollen sportlich an erfolgreiche Zeiten anknüpfen, wir wollen mit der Profimannschaft zu den 56 besten Vereinen in Deutschland gehören, wir wollen mit allen Jugendleistungsmannschaften in den jeweils höchsten deutschen Spielklassen mitwirken.

Das ist das wichtigste, aber wir wollen auch Zeichen setzen für eine Entwicklung, die sich nicht anhängt an Tendenzen, die den Fußball immer mehr von seinen Wurzeln entfernt. Deshalb wollen wir

  • In wirtschaftlich gesundes Fahrwasser kommen und bodenständig bleiben
  • Eine nachhaltige und professionelle Nachwuchsförderung schaffen (NLZ), um den Nachwuchs in der Region zu fördern und ganzheitlich auszubilden
  • Spieler selbst ausbilden und langfristig in den Profikader bzw. den Profifußball integrieren
  • Als Botschafter der Stadt Münster und des Münsterlandes fungieren
  • Eine attraktive und zeitgemäße Infrastruktur schaffen und langfristig sichern
  • Modern sein und traditionsbewusst zugleich
  • Integrativ und tolerant sein
  • Soziale Projekte fördern und unterstützen. Im Fußball gibt es keine Klassen, keine Ausgrenzung, im Stadion findet sich die ganze Stadtgesellschaft
  • Ein attraktiver und verantwortungsbewusster Arbeitgeber sein.

Wir müssen und werden uns der Diskussion über unsere Gegenwart und Zukunft stellen – selbstbewusst, aber auch mit Demut. Wir haben keinen Grund, in Sack und Asche zu gehen, aber wir brauchen eine offene und transparente Debatte mit allen, die dazu bereit sind.

Beginnen wir sie, um der Zukunft unseres Sports und unseres SC Preußen Münster willen!

Ihr Christoph Strässer

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