Das Jahr 2023 war ein außergewöhnliches Jahr für den SC Preußen Münster. Eine souveräne Regionalliga-Saison wurde mit den Saisonhighlights gegen Düsseldorf II und Ahlen gekrönt und auf dem Rathausbalkon mit tausenden Fans veredelt. Meisterschaft und Aufstieg in die 3. Liga waren perfekt – und auch die Qualifikation für die DFB-Pokal-Hauptrunde. Für den Clubpräsidenten Dr. Bernward Maasjost war es das erste Jahr im neuen Amt, für den Aufsichtsratsvorsitzenden Frank Westermann bereits das sechste. Im großen Doppelinterview blicken beide noch einmal zurück, vor allem aber nach vorn. Denn große Herausforderungen, aber genauso große Chancen, warten auf den Traditionsverein von der Hammer Straße.

Welcher Moment wird euch besonders in Erinnerung bleiben?

Dr. Maasjost: Das Spiel gegen Düsseldorf II war schon etwas ganz Besonderes, als sich all die Emotionen auf dem Rasen entladen haben. Auch die anschließenden Festivitäten waren phänomenale Highlights. Ich hatte dann auch das große Vergnügen, mit der Mannschaft im Doppeldecker-Bus auf dem Prinzipalmarkt vorzufahren – das war schon eine richtig coole Nummer. Beim Aufstieg 2011 war ich ja auch schon im Aufsichtsrat dabei, aber eher in der zweiten Reihe. Diesmal war ich etwas weiter vorne, was natürlich noch intensiver und emotionaler war. Auch unsere Tochter Wiebke war diesmal live dabei, was es für mich zu einem ganz besonderen Erlebnis gemacht hat.

Westermann: Als letztendlich feststand, dass wir aufgestiegen sind, wich die Anspannung, überall war die pure Freude spürbar, diese große Emotionalität von der Kurve über das gesamte Stadion bis tief hinein in die Gremien. Es war auch eine Bestätigung, dass wir zu Saisonbeginn ein paar gute Entscheidungen getroffen haben. Die spontane Feier im ‚Früh bis spät‘ bleibt unvergessen, weil sie die Gemeinsamkeit dieses Aufstiegs unterstrich und die Freude in besonderem Maße zum Ausdruck brachte. Es war ein einmaliges Ergebnis.

Dem Erfolg im Mai sind drei nicht immer einfache Regionalliga-Spielzeiten vorausgegangen. Wie blickt ihr mit etwas Abstand auf diese Zeit zurück?

Dr. Maasjost: Vom Tiefschlag zur guten Laune – da war alles drin. Ich war gerade zurück im Aufsichtsrat, als wir abgestiegen sind. Die ersten Spiele waren schon etwas mau, mit wenig Stimmung. Aber auch und vor allem die Vertreter aus der Jugend haben uns nach dem Abstieg sofort wieder aufgerichtet und motiviert. Damit aus dem Umbruch ein Aufbruch wird, lautete ihr Motto. Das hat uns alle überzeugt. Die erste Saison startete schwierig – wir hatten ja kaum Spieler – endete aber sehr ordentlich. In der zweiten Saison haben wir dann ein paar Törchen zu wenig geschossen, das tat schon weh. In der dritten Saison haben wir dann alles auf eine Karte gesetzt, um das sich öffnende Fenster zu nutzen. Und Gott sei Dank ist diese Rechnung dann aufgegangen.

Westermann: Nach dem Abstieg war für mich sofort klar, dass wir das korrigieren müssen. Natürlich sind wir sportlich abgestiegen, keine Frage, aber ich habe auch eine große Ungerechtigkeit empfunden. Corona war eine immense Belastung und die Art und Weise, wie die Saison zu Ende gebracht wurde, empfinde ich auch mit dem zeitlichen Abstand noch immer als unfair. Nichtsdestotrotz habe ich schnell gemerkt, dass wir in einer sehr schwierigen Phase alle an einem Strang gezogen haben. Mit Peter Niemeyer haben wir dann einen echten Glücksgriff getan. Es war für uns alle ein Neuanfang, mit einem neuen Hauptsponsor Fiege und einer guten Basis für die Zukunft. Und mit der sicheren Bank, dass das Trainerteam uns weiter begleitet.

Auch wirtschaftlich waren das sehr schwierige Jahre für einen Club wie den SC Preußen. Es dauerte lange, um die Corona-Pandemie zu meistern und schließlich hinter sich zu lassen. Mit Corona-Hilfen, Sonderzahlungen und Kurzarbeit versuchten sich Clubs über Wasser zu halten. Wie schwer war es, das Schiff in dieser Phase auf Kurs zu halten?

Dr. Maasjost: Die Devise lautete erstmal sparen, sparen, sparen. Gut aufpassen und Ausgaben schieben, schieben, schieben. Und vielleicht auch mal auf das Gute hoffen. Wir hatten bis dahin eine stabile wirtschaftliche Ausgangslage, hatten etwas Speck auf den Rippen. Doch dieser Speck ist abgekocht worden, das muss man so sagen. Die Regionalliga ist für einen Verein der Größenordnung von Preußen strukturell extrem schwierig, insbesondere wenn dann noch Entwicklungsthemen dazukommen. Auf Dauer zu investieren und gleichzeitig abzuspecken, geht nicht. Die Herausforderungen waren schon enorm. Und wir wissen, wo wir herkamen – das Wort „negatives Eigenkapital“ hat bei mir Spuren hinterlassen.

Westermann: Die Herausforderungen waren extrem und die Situation war für uns alle Neuland. Da muss man im Nachhinein Bernhard Niewöhner und auch Albrecht Dörries großen Respekt zollen, wie sie die Aufgabenstellungen mit den Corona-Beihilfen und Überbrückungen gemeistert haben. Das hat uns sehr geholfen, über die Krise hinwegzukommen. Genauso, wie die vielen Fans und Unterstützer. Auch die Spieler und insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle haben dabei außerordentlich mitgewirkt, durch Kurzarbeit und ein ebenso konstruktives wie vertrauensvolles Miteinander. Ohne dieses Engagement und die Bereitschaft zum Verzicht, hätte das Ganze nicht funktioniert. Deshalb ist unser heutiger Erfolg – auch ein Erfolg aus der Corona-Zeit, in der alle gezeigt haben, was gemeinsam für Preußen Münster heißt. Jetzt stellen sich neue, extrem komplexe Herausforderungen und wir sind sehr froh, dass wir auf diese Basis vertrauen können und neue Expertise, wie bspw. von Dr. Markus Sass, gewinnen konnten.

Musste man im dritten Jahr ein größeres Risiko gehen, um das „Stahlbad Regionalliga“ (Zitat Trainer) zu verlassen?

Dr. Maasjost: Wir wollten aus sportlichen Gründen raus aus dieser Liga. Wir wollten aus Ehrgeiz raus aus dieser Liga. Nach dem Aufstieg von Rot-Weiss Essen bot sich uns eine große Chance. Wir haben die Situation analysiert und waren davon überzeugt, dass die dritte Saison die ist, in der es klappen muss. Wenn man es dramatisch formulieren möchte: Jetzt oder nie. Das Fenster stand aus unserer Sicht weit offen. Entsprechend haben wir die Mittel bereitgestellt, um das Ziel zu erreichen.  Natürlich auch mit den Konsequenzen, die sich im betriebswirtschaftlichen Ergebnis widerspiegeln.

Westermann: Und wie man aktuell sieht, haben wir das Risko so kalkuliert, dass es zwar gegen das Eigenkapital ging, wir aber wirtschaftlich weiter absolut leistungsfähig sind. Die Lizenzierung für die laufende Saison hat das ausführlich dokumentiert.

Dr. Maasjost: Die Regionalliga war schön, weil wir viel gewonnen haben, aber wirtschaftlich war es eine absolute Chaosveranstaltung. Unser Anspruch musste ein anderer sein und deshalb mussten wir die sich bietenden Opportunitäten nutzen und in die Mannschaft investieren. Es war ein kalkuliertes Risiko, denn wer weiß, wann die Voraussetzungen wieder so günstig gewesen wären. Quasi eine kontrollierte Offensive, wenn man es wie Otto Rehagel formulieren möchte.

Westermann: Es war uns in der dritten Saison schnell klar, dass wir aufgrund der Konstellation einen Weg des größeren Risikos einschlagen müssen. Das wurde in den Gremien einstimmig beschlossen.

Dr. Maasjost: Ohne Einnahmen von DFB-Pokal und Corona-Hilfen haben wir in einer Sitzung die bewusste Entscheidung getroffen, eine funktionierende Mannschaft nicht zu zerstören und punktuell zu verstärken. Das geht dann im Zweifel auch gegen das Eigenkapital

Von außen hört man häufig, die Preußen hätten sich in der Krise neu erfunden. Der Zuschauerzuspruch ist außergewöhnlich gut, die Wahrnehmung in der Stadt und im Umland positiver denn je. Nicht nur die Kids tragen wieder mit Stolz ihr Preußentrikot in der Schule. Wie ist das gelungen?

Dr. Maasjost: Das ist ja nicht nur das Ergebnis der jüngeren Vergangenheit. Ich glaube, dass schon in den Jahren zuvor sehr gute Arbeit gemacht worden ist. Ich persönlich muss da sagen: Was Christoph Strässer mit Unterstützung von Frank Westermann – um die beiden Verantwortlichen der Gremien zu nennen – geleistet  hat, ist sehr bemerkenswert. Es kam eine echte Laufruhe in den Verein. Die sportliche Situation hat den Verein nicht aus den Angeln gehoben, sondern vielleicht sogar enger zusammengeschweißt. Die grundsätzliche Entwicklung in der Stadt, die Möglichkeit, dass wir überhaupt über das Stadionprojekt reden können und die positivere Wahrnehmung in der Stadtgesellschaft wurden von Grund auf kontinuierlich und vertrauensvoll aufgebaut. Insofern hatten wir einen Vertrauensvorschuss. Dass sich nach dem Abstieg Fiege in dieser Art und Weise bei den Preußen engagierte, war dann ein Hauptgewinn – ein Sechser im Lotto. Das hat uns in einer schwierigen Phase unglaublich weitergeholfen und war ein wichtiges Signal an andere Partner. Deshalb konnten wir auch im Sponsoring wachsen und uns hier gut aufstellen. Das hat uns sehr geholfen, deshalb ein Dankeschön gern verbunden mit einem weiter so in unsere gute Sponsorenschaft.

Westermann: Ich würde nicht sagen, dass wir uns neu erfunden haben, die Geschichte begann schon früher mit einem Präsidenten Christoph Strässer, der das ganz wunderbar moderiert hat und eine Akzeptanz im Umfeld schuf, der auch der sportliche Misserfolg keinen unüberwindbaren Schaden zufügen konnte. Wir haben den eingeschlagenen Weg konsequent fortgesetzt, konnten auch beim Stadionprojekt große Fortschritte machen.

Seit dem Sommer sind die Preußen zurück in der 3. Liga und scheinen als Aufsteiger schnell in der Klasse angekommen zu sein. Ist der SC Preußen gerüstet, sich wieder dauerhaft im Profifußball zu etablieren? Und wie schwer ist es eigentlich, in dieser Liga zu bestehen?

Dr. Maasjost: Gemessen am aktuellen Tabellenstand spielen wir eine gute Rolle. Zu glauben, dass das auf Dauer für die 3. Liga reicht, wäre aber vermessen. Wir müssen vieles verändern und verbessern. Das ist aber vollkommen normal. Wir müssen schauen, wie wir uns sportlich weiterentwickeln können. Auf der Geschäftsstelle. Bei unseren Sponsoren. Da haben wir große Herausforderungen, aber auch große Möglichkeiten. Mit einem Fingerschnippen wird das nicht gelingen, deshalb müssen alle eine Schippe drauflegen. Das können wir auch. Es ist aber eine Frage von vielen kleinen Schritten, die gegangen werden müssen.

Der Sportclub ist dabei, sich auf allen Ebenen weiter zu professionalisieren. Was sind hier die wichtigsten Schritte für die nächsten Jahre?

Dr. Maasjost: Der erste und vielleicht wichtigste Schritt ist, das Stadionprojekt jetzt möglichst schnell auf die Schiene zu bekommen, aber gleichzeitig mit den Veränderungen im Stadion leben zu können. Das zu managen wird eine riesige Herausforderung – wirtschaftlich, administrativ, für unsere Zuschauer. Da müssen alle gute Nerven und viel guten Willen mitbringen, um diese schwierige Zeit zu überbrücken. Das geht aber nur, wenn man ein klares Ziel vor Augen hat. Wir müssen vielleicht einmal durch das Tal der Tränen marschieren, um auf der Sonnenseite rauszukommen. Um uns überhaupt entwickeln zu können, brauchen wir dringend das wirtschaftliche Fundament eines neuen Stadions.

Westermann: Wir brauchen innerhalb des nächsten halben Jahres den Zuschlag für den Totalübernehmer – ich bin auch überzeugt, dass das klappt. Dann können wir unsere Geschichte weiterschreiben. Es liegen mit dem Umbau sicher erstmal schwierige Zeiten vor uns, in denen ich hoffe, dass alle, vom Zuschauer bis zum Sponsor, zu uns stehen. Wir brauchen nicht nur Signale, sondern auch sichtbare Ergebnisse, um Partner und Investoren für das Projekt zu begeistern. Auch für unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wäre ein neues Stadion mit einer neuen Geschäftsstelle eine wichtige und notwendige Perspektive.

Auch in den Gremien gab es zuletzt Veränderungen, erstmals ist mit Dr. Ursula Paschke eine Frau Teil des Präsidiums. Warum war diese Personalie so wichtig und welche Rolle kann Frau Dr. Paschke einnehmen?

Dr. Maasjost: Das ist keine Quotennummer, die wir hier fahren – das ist mir ganz wichtig. Dr. Ulla Paschke hat mehr als 22 Jahre lang als Geschäftsführerin der Halle Münsterland bewiesen, dass sie Events und große Themen managen kann. Sie hat das Unternehmen erfolgreich geführt und entwickelt. Ich glaube, dass wir bei Preußen neben dem sportlichen Bereich auch den Entertainment-Faktor im Auge haben sollten. Dazu gehört a) ein gutes Fußballspiel und b) auch regelmäßige gute Veranstaltungen. Wenn wir dann jemanden gewinnen können, der so viel Erfahrung mitbringt, um das – ich nennen es jetzt mal – Produkt weiterbringen zu können, muss man zufassen. Es ist uns nicht nur gelungen, eine Frau uns Boot zu holen, sondern echte Qualität. Sie ist eine Top-Besetzung.

Westermann: Mir war sehr schnell klar, dass Dr. Ursula Paschke uns strukturell sehr stark unterstützen kann, um wichtige Themen auf mehrere Schultern verteilen zu können. Deshalb sehe ich diese Personalie außerordentlich positiv.

Wenn ihr den Blick nach vorne richtet, was werden die größten Herausforderungen für das Jahr 2024 und was erhofft ihr euch für den Sportclub in den kommenden zwölf Monaten und auch darüber hinaus?

Dr. Maasjost: Die größte Herausforderung wird sein, das Stadionprojekt jetzt wirklich aufs Gleis zu bringen und dann mit den Veränderungen am Standort umgehen zu können. Da reden wir aber eher über die nächsten 36 oder sogar 48 Monate. Für die nächsten zwölf Monate würde ich sagen, dass die Mannschaft so erfolgreich wie aktuell über die Ziellinie kommt, wovon ich persönlich fest überzeugt bin, und vielleicht sogar noch etwas Luft nach oben hat. Wenn es uns dann gelingt, uns auf dem Niveau zu stabilisieren und das Stadionprojekt erfolgreich zu gestalten, können wir auch mal an den nächsten Schritt denken.

Westermann: Die größte Herausforderung wird sein, mit den Einschränkungen, die wir haben werden, wirtschaftlich umgehen zu können. Am Ende sind wir aber ein Fußballverein, in dem es vorrangig darum geht, auf dem Rasen erfolgreich zu sein. Dafür müssen wir weiter das Fundament festigen und ausbauen. Ich bin mir sicher, dass uns das gelingt. Und wir uns dabei auch der Unterstützung der vielen Fans in Münster und im Münsterland sicher sein können – Fans, die in guten und auch schwierigen Zeiten gezeigt haben, dass sie ein Preußen-Herz haben. Auch das ist nicht selbstverständlich, deshalb gilt unser Dank auch unseren Fans.

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