Am Dienstag gab Christoph Strässer bekannt, seine Amtszeit als Vereinspräsident aus Altersgründen nicht über die Aufsichtsratswahl im Januar hinaus verlängern zu wollen. Es endet damit eine Amtszeit mit vielen Höhen und Tiefen, mit Erfolgen und Rückschlägen. Die Ereignisse der vergangenen sechs Jahre würden nicht nur ein Kapitel, sondern gleich ein ganzes Buch in der Vereinsgeschichte füllen. Wir haben für ein ausführliches Interview mit dem scheidenden Präsidenten über seine Beweggründe für den Abschied gesprochen und noch einmal auf diese herausfordernde Zeit zurückgeblickt. Und Strässer bleibt sich als „Optimist“, wie er selber von sich sagt, treu, indem er positiv in die Zukunft schaut.

Sie sind 2016 mit zwei großen Themen angetreten: Der Ausgliederung und dem Stadionprojekt. Die Ausgliederung wurde erfolgreich und mit sehr breiter Zustimmung durchlaufen und auch die jüngsten Ratsentscheidungen zum Stadion fielen nahezu einstimmig aus. Haben Sie alles richtiggemacht, in den zurückliegenden Jahren?

Das würde ich so nie sagen. Gerade, was das Stadion angeht, war die Perspektive bei meinem Amtsantritt eine ganz andere. Der Anstoß von Walther Seinsch, ein neues Stadion zu bauen, war seinerzeit das, was uns als Gremien, aber auch mich persönlich, unglaublich motiviert hat. Das ist dann leider gescheitert, was für uns ein absoluter Rückschlag war und auch dazu führte, zu überlegen, ob man überhaupt weitermachen will. Der zweite Rückschlag kam dann etwas später mit dem Abstieg aus der 3. Liga. Auch dann stellt man sich viele Fragen und muss sich eingestehen, dass man nicht alles richtiggemacht haben kann. Es gab dann viele Gespräche, insbesondere mit Frank Westermann, zu dem eine echte Freundschaft gewachsen ist. Wir haben für uns trotz der Rückschläge eine Perspektive entwickelt und wollten den Karren nicht im Dreck zurücklassen.

Sie haben schnell den Schalter umgelegt, wollten beim Stadion nie von einer B-Lösung reden. Hat sich das am Ende ausgezahlt?

Man kann ja nicht sagen, das Projekt ist gescheitert und das war es dann. Wir haben für den Standort Berg Fidel an konstruktiven Lösungen gearbeitet – und das ist dann sehr gut gelaufen. Wenn man die Amtszeit in zwei Teile gliedern will, waren die ersten drei Jahre total schwierig. Nicht nur was das Stadion und den Sport angeht, sondern auch die generelle finanzielle Ausstattung des Vereins. Die Gespräche mit unseren Hausbanken waren zu dieser Zeit kein Vergnügen. Doch durch die Entwicklungen der letzten drei Jahre ist man durchaus entschädigt worden. Man ist dann an einem Punkt, an dem man sich sagt: Jetzt macht es richtig Spaß!

Und genau an dem Punkt sagen sie jetzt: Das war es für mich. 

Es ist noch immer vieles unvollendet. Wir arbeiten in der Liga am Aufstieg und ich bin auch sicher, dass wir das schaffen. Beim Stadion sind wir auf einem sehr guten Weg, haben aber noch viel Arbeit vor uns. Natürlich hätte das eine Motivation sein können. Doch in drei Jahren stünde ich nahe an meinem 80. Geburtstag und ich möchte nicht irgendwann auf das Podium getragen werden. Es gibt andere, die übernehmen können und denen möchte ich noch helfen, so gut es geht.

Sie können aber mit einer Portion Stolz auf das blicken, was sich gerade in den letzten drei Jahren entwickelt hat.

Ja, das ist so, auch wenn ich mit dem Begriff Stolz nicht viel anfangen kann. Vieles war anders, als man erwartet hatte. Ich war immer nah dran an den Preußen, hab von außen draufgeschaut und gemeckert. Als ich dann selbst in der Verantwortung stand, wurde ich schnell von der Realität eingeholt. Ich muss sagen: Ich habe ganz großen Respekt vor allen, die an diesem Projekt mitarbeiten, die voll hinter dem Verein stehen und wollen, dass es wieder aufwärtsgeht.

Sie haben in einer extrem intensiven Phase mit ihren Präsidiumskollegen die Verantwortung übernommen. Die Ausgliederung war ein Mammutprojekt. Sportlich der Abstieg. Corona wurde zur riesigen Herausforderung. Das Stadionprojekt. Der Leitbild-Projekt. All das reicht ja für die Amtszeiten von drei Präsidenten.

Na klar: Wenn man es so zusammenfasst, haben wir schon viele schwierige Situationen gemeistert. Aber das ist nicht nur auf meine Person bezogen. Das ging nur als Team. Und dieses Team besteht nicht nur aus den Gremien, sondern auch den Kolleginnen und Kollegen in der Geschäftsstelle oder im Nachwuchsbereich, die schuften wie verrückt. Was hier im Verein geleistet wird, ist beeindruckend. Die Identifikation mit dem Verein ist schon etwas ganz Besonderes. Trotz manchmal unterschiedlicher Auffassungen ziehen alle an einem Strang.

Es gab schwierige Phasen, aber was waren die Höhepunkte ihrer Amtszeit?

Die Ratsentscheidung in der letzten Woche war sicher so ein Höhepunkt. Man hat gesehen, dass die Arbeit, die man investiert hat, und das Bohren der dicken Bretter bis zum heutigen Tage erfolgreich waren. Sportlich ist die Bewertung sicher etwas schwieriger. Wir konnten mit vielen Mühen bis 2020 die Klasse halten, dann kam Corona. Dass wir die Pandemie – auch im Vergleich zu anderen und größeren Vereinen – so gut gemeistert haben, war auch eine bemerkenswerte Leistung, an der sehr viele mitgewirkt haben. Hier möchte ich ganz besonders Bernhard Niewöhner erwähnen, aber auch die vielen anderen, die ohne großes Murren auf einen Teil ihrer Einkünfte verzichtet haben und in Kurzarbeit gegangen sind. Die sportliche Entwicklung seit dem Abstieg finde ich phänomenal. Den Sonntag direkt nach der Niederlage gegen Meppen werde ich nie vergessen. Alle waren geschockt und die Jugendtrainer präsentierten in der Haupttribüne ein unglaubliches Projekt, das sofort wieder eine Aufbruchsstimmung erzeugte und eine realistische Perspektive aufzeigte. Und auch die klare Ansage von Sascha Hildmann, trotz des Abstiegs und unklarer Perspektiven weitermachen zu wollen, hat sehr geholfen. Diese Stimmung hält bis heute an.

Vieles ist in so einem Club vom sportlichen Erfolg abhängig. Wie schwierig war und ist es, in so einem Umfeld die richtigen Entscheidungen zu treffen?

Im Sport und im Fußball kann man nicht alles planen. Man kann zwar einen Plan aufstellen und ihn dann überwerfen. Vor allem kann man aber die Grundlagen schaffen, wie ganz aktuell bei den neuen Trainingsplätzen oder den Strukturen für ein Leistungszentrum. Und es freut mich sehr, wie groß die Unterstützung dafür in der gesamten Sport-Infrastruktur der Stadt Münster ist. Viele andere Vereine warten auf Verbesserungen und Hilfe, doch es gab keinen Neid darüber, dass nun am Berg Fidel etwas entsteht. Wir haben immer viel Rückendeckung – unter anderem vom Stadtsportbund – erhalten. Es zeigt, dass wir längst mitten in der Stadtgesellschaft angekommen sind und für unsere Jugendarbeit eine große Wertschätzung genießen.

Wie geht es denn mit dem Privatmann Christoph Strässer weiter? Rosen züchten und die Füße hochlegen?

Auf gar keinen Fall. Ich habe noch das eine oder andere Ehrenamt in anderen Institutionen, die allerdings etwas weniger zeitaufwendig sind und die mir auch besonders am Herzen liegen. Da wird sich vieles ergeben. Und ich hoffe auch, dass ich bei den Preußen noch einiges mitbewegen kann – z.B. beim Stadionprojekt oder an anderen Stellen. Getreu dem Motto: Niemals geht man so ganz.

Gehen Sie mit dem Gefühl, ein gut bestelltes Feld zu übergeben?

Ich würde gerne einfach JA sagen, aber das wird erst die Zukunft zeigen. Es liegt noch sehr viel Arbeit vor dem Verein. Aber ich habe ein gutes Gefühl und glaube, dass keine offenkundigen oder auch versteckten Risiken lauern. Die bisherigen drei Jahre in der Regionalliga waren sicher keine verschenkten Jahre. Wir konnten die Zeit nutzen, um den Verein von unten wieder neu aufzubauen und ein gutes Fundament zu schaffen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in der 3. Liga eine gute Rolle spielen können – nicht nur sportlich, sondern auch materiell. Wir sind gut vorbereitet, das soll auch das Signal nach außen sein. Wir haben eine stabile Basis, auf der wir uns sportlich und außersportlich weiterentwickeln können.

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