2,2 Millionen aktive Fußballerinnen und Fußballer gibt es in Deutschland, die Woche für Woche in etwa 80.000 Spielen gegeneinander antreten.  Das sind zirka 1,5 Millionen Fußballspiele pro Saison – eine beeindruckende Zahl. Etwa 53.000 aktive Schiedsrichter leiten diese Partien. Um Respekt und Anerkennung für die Unparteiischen zu fördern, hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) das Jahr der Schiris ausgerufen, getreu dem Motto „Liebe den Sport – Leite das Spiel“.

Einer, der das Spiel besonders liebt, ist Waldemar Spichalla, Schiedsrichter-Obmann des SC Preußen Münster. Noch immer steht er regelmäßig auf dem Feld – und das mit 80 Jahren. Erst vor wenigen Wochen feierte er den besonderen Geburtstag, auch wenn man ihm die Jahre nicht ansieht. Topfit steht der ehemalige Boxer vor uns, mit einem Händedruck, der selbst gestandenen Männern mitunter Tränen in die Augen treiben kann. „Der Händedruck ist längst nicht mehr so fest wie früher, das gibt immer Ärger mit meiner Frau, vor allem bei ihren Freundinnen“, sagt er lachend. Humor hat er, auch wenn er auf dem Feld nicht immer Spaß versteht. Waldemar Spichalla ist ein kerniger Typ, der jeden Tag seine Hanteln stemmt – ohne Ausnahme. „Man muss doch fit bleiben, was für den Körper tun.“ Einmal pro Woche geht es auf die große Laufrunde um den Aasee und das Fahrrad ist natürlich sein Fortbewegungsmittel Nummer eins. „Ich habe ein schönes E-Bike, heute bin ich aber mit dem normalen Rad gekommen – um in Bewegung zu bleiben.“ Es zahlt sich aus, wie man sieht. Zur Erinnerung: Waldemar ist 80 Jahre alt. In Ligaspielen ist er nicht mehr allzu häufig unterwegs, konzentriert sich auf Einsätze im Betriebs- und Schulsport. Doch auch da will und muss er mithalten. „Ich kann doch nicht an der Mittellinie stehenbleiben und von dort eine Entscheidung treffen. Das gibt nur Theater mit den Spielern. Wenn es soweit ist, höre ich auf.“ Bisher denkt er aber noch nicht daran, obwohl die Altersgrenze eines Schiedsrichters im Amateurbereich mit 60 Jahren eigentlich erreicht ist. Vor allem kümmert er sich aber um die 16 weiteren Schiris, die mit dem Preußenadler auf der Brust und im Herzen unterwegs sind. Denn was vielleicht nicht jeder weiß: Jeder Fußballverein muss entsprechend seiner Größe und Anzahl der eigenen Mannschaften Schiedsrichter stellen, die dann in den Ligen zum Zuge kommen. Wird die Mindestzahl nicht erreicht, gibt es empfindliche Verbandsstrafen. Auch wenn die Mindestzahl geleiteter Partien nicht erreicht wird, gibt’s Probleme. Leider mittlerweile ein notwendiges „Druckmittel“, weil die Zahl der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter seit Jahren rückläufig sind.

Auch deshalb fahren DFB und Landesverbände derzeit eine Imagekampagne. Denn eins ist klar: Ohne Schiris geht es nicht. „Wir wollen die Schiris enger in die Fußballfamilie integrieren und auch in der gelebten Praxis als das begreifen, was sie sind: Ein integraler Bestandteil des Spiels, unverzichtbarer Partner für Spielerinnen und Spieler und Trainerinnen und Trainer sowie wichtige Mitglieder der Vereine. Der Ansatz ist dabei konsequent konstruktiv. Es soll nicht mehr heißen: Warum tust du dir das an? Sondern: Darum ist es cool, Schiri zu sein“, sagt DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann.

Die 16 Schiedsrichter der Preußen sind ehrenamtlich unterwegs, Waldemar Spichalla kümmert sich um ihre Sorgen und Nöte, um die Einkleidung und Ausstattung und vermittelt Schiedsrichter, wenn sie gebraucht werden. „Wir haben gute Schiris, auch wenn alle in den unteren Ligen unterwegs sind. Es ist aber nicht einfach, genug zusammenzubekommen. Man ist viel unterwegs.“ Er selbst kennt es nicht mehr anders, leitet seit 1997 Fußballspiele. Zuerst bei Borussia Münster, wo er auch Jugendtrainer war und seit 2000 beim SCP. Sein Sohn Marcel, selbst Spielleiter, lockte ihn damals zu den Preußen. Er hat es nicht bereut.

Ob sich am Schiedsrichterdasein denn etwas verändert hat in all den Jahren, fragen wir. Die Antwort leider erwartbar: „Es mangelt an Respekt, früher war das noch etwas anders. Der Umgangston ist schon rauer, es wird viel mehr diskutiert.“ Waldemar Spichalla war auf dem Platz aber ein Mann klarer Worte und klarer Ansagen. „Diskutiert wurde bei mir nicht und wenn ich gesehen habe, dass einer nur auf die Socken des Gegners draufgehalten hat, war ganz schnell Feierabend.“

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