Vor den Toren von Münster aufgewachsen, haben sich die Lebenswege von Peter Niemeyer und dem SC Preußen Münster lange nicht überkreuzt. Das aufstrebende Nachwuchstalent zog es bereits im jungen Alter in die Niederlande zu Twente Enschede, von wo aus seine Karriere als Fußballprofi Fahrt aufnahm. Jetzt, nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn, sitzt Niemeyer in seinem Büro am Fiffi-Gerritzen-Weg 1 und hat seinen Weg zum Adlerclub gefunden. Und es macht den Eindruck, als harmonieren beide Seiten sehr gut miteinander.

Der heute 36-Jährige, der in Riesenbeck-Hörstel geboren und aufgewachsen ist, war vom ersten Augenblick von seiner neuen Station angetan. „Ich möchte noch nicht sagen, dass sich der Kreis hier für mich schließt, weil mein Weg hoffentlich noch lange weitergeht. Aber ich hoffe auch, dass ich noch lange bei Preußen bin. Ich habe hier von Anfang an ein gutes Gefühl verspürt“, erzählt Niemeyer überzeugt. Dabei hat es ihn in keiner Weise abgeschreckt, dass die Situation nach dem Abstieg im Sommer keine einfache war. Im Gegenteil: „Vielleicht hat mich genau das gereizt. Einfach kann jeder, diese Mentalität steckt in mir drin. Und du bist auch nicht Fußballprofi in einem Moment geworden, in dem es gut lief und alles funktioniert hat. Da war auf einmal auch der 18-jährige Niemeyer gefordert, als wir mit dem Rücken zur Wand standen. Ich habe es auch im Laufe meiner Karriere geschafft, aus nicht den besten Bedingungen den maximalen Erfolg rauszuholen“, sieht er für sich selbst gewisse Parallelen in seinem Lebensweg und seiner jetzigen Aufgabe, richtet den Blick aber auch schnell nach vorn: „Wenn wir es hier schaffen, dass die verschiedenen Zahnräder ineinander greifen, können wir eine große Kraft entwickeln. Wir müssen es schaffen, die Expertise, die hier im Verein an allen Stellen steckt, zu bündeln und dafür zu sorgen, dass alle in dieselbe Richtung schauen. Es ist hier eine Riesenchance. Für mich, für Preußen und auch die Region.“

„Ich habe es im Laufe meiner Karriere geschafft, aus nicht den besten Bedingungen den maximalen Erfolg rauszuholen.“

Peter Niemeyer

Zwei Jahre liegt der Schritt, dass der Defensivspezialist, der während seiner Karriere für Twente Enschede, Werder Bremen, Hertha BSC und Darmstadt 98 auflief, seine Laufbahn beendete, zurück. „Ich hatte eigentlich das Gefühl, ich würde noch lange spielen, habe aber auch gemerkt, dass eine Verletzung am Fuß nicht wirklich besser wurde. Daraufhin habe ich den Entschluss gefasst, dass es vorbei ist“, blickt Niemeyer zurück und merkt durchaus selbstkritisch an: „Auf diesen Moment hatte ich mich nie wirklich vorbereitet.“ Sein Leben änderte sich von heute auf morgen und der durchgetaktete Alltag des Fußballprofis wurde gegen das völlige Gegenteil eingetauscht. „Für andere ist nicht zu wissen, welcher Wochentag ist, Urlaub. Für mich war das Stress pur. Ich habe den Fußball gelebt.“ Auch wenn es sich anfänglich schleppend anfühlte, entwickelte sich die Karriere nach der Karriere doch zügig. Aus einer Hospitation bei Enschede wurde eine Festanstellung, jetzt ist Niemeyer als Sportdirektor bei den Preußen angekommen.

Wenn er derweil auf seine Zeit als Profi zurückblickt, wirken die Erinnerungen noch ganz frisch, als würden sie vor seinem inneren Auge wie eine Highlight-Folge im Fernsehen flackern. „Ich selbst nenne das immer einen Vergangenheitsoptimismus. Wenn ich jetzt über meine Karriere nachdenke, sage ich, dass es die beste Zeit meines Lebens war und ich sie nicht genügend ausgekostet habe. Und das, obwohl ich sie schon sehr ausgekostet habe.“ Der Fußball hat ihm, das begann schon von klein auf, immer alles bedeutet. „Meine Mutter erzählt immer gerne eine Anekdote aus meiner Kindheit, als mich die Kindergärtnerinnen gefragt haben, wie hoch ich springen kann. Ich habe gesagt: ‚Bis zur Decke‘. Meine Mutter fand es toll, die Kindergärtnerinnen fanden es aber nicht so gut, weil das Ziel unerreichbar bzw. zu hoch war. Das spiegelt mich wider. Ich habe es während meiner Karriere immer etwas mehr gewollt als die anderen.“ Alles begann in Enschede, als er seinen ersten Profivertrag annahm. Dafür gab er damals sogar die Schule auf. Kein Vorbildscharakter, aber es funktionierte. Heute sagt er: „Im Nachhinein hätte ich mich gerne während meiner Karriere schon mehr auf die Zeit danach vorbereitet.“ Neben dem Fußball nahm er sich immer wieder auch Zeit für soziale Projekte, die ihm am Herzen lagen. „Ich konnte durch meine bloße Anwesenheit für gute Laune oder ein Lächeln sorgen. Auch das ist etwas, das begreifst du erst so richtig, wenn du es nicht mehr hast. Heute geht das nicht mehr so einfach.“

„Wenn wir es hier schaffen, dass die verschiedenen Zahnräder ineinander greifen, können wir eine große Kraft entwickeln. Wir müssen es schaffen, die Expertise, die hier im Verein an allen Stellen steckt, zu bündeln und dafür zu sorgen, dass alle in dieselbe Richtung schauen. Es ist hier eine Riesenchance. Für mich, für Preußen und auch die Region.“

Peter Niemeyer

Angesprochen auf seine Art und Weise auf dem Platz definiert sich Niemeyer recht klar: „Ich habe es geschafft, andere Spieler besser zu machen und sie glänzen zu lassen. Das war bei Bremen mit einem Diego und Özil aber auch nicht schwierig (Lacht). Ich habe immer das große Ganze gesehen und war nie ein Individualist.“ Wenn er an diese Momente zurückdenkt, ist seine Leidenschaft förmlich zu greifen. „Mit der Mannschaft in der Kabine zu sitzen und zu wissen, auf uns kommt es gleich an, das war überragend. Natürlich hast du am Anfang auch Versagensängste, das gehört dazu. Aber zu wissen, du trittst den anderen Jungs gleich in den Arsch und versuchst, als Mannschaft an deine Leistungsgrenze zu kommen – da bekomme ich Gänsehaut“, erzählt Niemeyer, der diesen Nervenkitzel liebte: „Die Samstage, die immer darüber entschieden haben, ob eine Woche gut oder schlecht war. Dieser Adrenalinstoß war auch ein Suchtfaktor, das muss man so ehrlich sagen. Das war in Berlin mit der Medienlandschaft am Extremsten“, gibt er tiefe Einblicke in seine Erfahrungen. In Berlin erlebte Niemeyer mit dem Abstieg jedoch auch seine größte Niederlage, die bis ins Privatleben reichte. „Wir durften nicht mehr im Café was Essen gehen, weil die Leute uns sagten, wir sollen auf den Trainingsplatz. Da gab es Momente, da wurdest du nicht mehr als Spieler, sondern als Mensch verurteilt, das hat mir am meisten wehgetan.“ Auch wenn der Tiefpunkt schmerzte, zurückblickend überwiegen die großartigen Erfahrungen, die er machen durfte. Zwei Aufstiege mit der Hertha in die Bundesliga, eine erfolgreiche Zeit in Enschede, der DFB-Pokalsieg mit Bremen, der Klassenerhalt mit Darmstadt, den er ausgerechnet in Berlin feierte. „Da durfte ich nach dem Spiel mit meinem Sohn vor dem Gästeblock feiern, der mit Darmstadt-Fans gefüllt war und im Hintergrund hat das Stadion ‚Niemeyer‘ gerufen. Ich habe gerade wieder Gänsehaut. Diese Momente bleiben für immer.“

Noch heute pflegt er auch zu alten Weggefährten tiefe Freundschaften. So zum Beispiel mit dem Patenonkel seines Sohns, Per Mertesacker. Jetzt richtet sich sein Blick aber in die Zukunft und Peter Niemeyer will sein nächstes Kapitel aufschlagen, um auch bei Preußen Münster wieder Erfolge feiern zu können.

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