Der Nachmittag begann dabei zunächst mit 15 Minuten Verspätung, weil um 14 Uhr noch zu viele Fans vor den Stadiontoren standen. Und auf die zu warten war die richtige Entscheidung, ansonsten hätten sie schon zu Beginn unterhaltsame Minuten verpasst. Anders als erwartet begannen die Hausherren dabei nicht tiefstehend, sondern sie versuchten über den ganzen Platz Mann gegen Mann Pressing zu spielen. In den Anfangsminuten mussten sich die Adlerträger darauf erstmal einstellen und hatten etwas Glück, dass Kim Sane die erste gute Chance des Spiels nicht zur frühen Führung der Hausherren nutzte. Die Antwort auf die Szene war dann ganz im Stile einer Spitzenmannschaft. Nach einem Ballverlust der SGW schaltete Dennis Grote in der gegnerischen Hälfte blitzschnell auf Angriff und bediente den gestarteten Andrew Wooten mustergültig. Der Angreifer pflückte das Leder gekonnt mit der Brust runter und behielt, anders als Sane Sekunden zuvor, die Ruhe und schob an Keeper Kilian Neufeld vorbei zur 1:0-Führung ein (10.). Wiederum nur gut 120 Sekunden später wurde es fast skurril – zum ersten, aber nicht Mal an diesem Nachmittag. Wieder waren es die Adlerträger, die den Raum, den die hochstehenden Wattenscheider preisgaben, clever nutzen. Und wieder war es Wooten, der diesmal nach schönem Oubeyapwa-Zuspiel alleine auf Schlussmann Neufeld zulief. Den ließ er auch gekonnt mit einem Heber aussteigen, wartete dann aber einen Moment zu lange, bis er den Ball unter Kontrolle hatte und traf schlussendlich leicht bedrängt, aber dennoch zwei Meter vor dem leeren Tor stehend nur den Pfosten. An normalen Tagen wäre die Szene damit vermutlich tot gewesen, aber Gerrit Wegkamp hat eben einen Lauf. So landete der Ball vor seinen Füßen und er fand, wie auch immer, am Keeper und drei Wattenscheidern vorbei einen Weg ins Tor – 2:0 (12.).
Danach wurde das Spiel für gut 25 Minuten lang etwas ruhiger, nahm sich aber nur eine kurze Verschnaufpause. Denn wer anhand dessen auf die Idee gekommen war, sich auch nur fünf Minuten früher in die Halbzeitpause zu verabschieden, sollte einen großen Fehler begehen. Alles begann mit einem Standard, bei dem Alexander Hahn im Strafraum gefoult wurde. Den fälligen Strafstoß schnappte sich Marc Lorenz und verwandelte sicher zur 3:0-Führung (40.). Wiederum nur drei Minuten später leistete sich Oubeyapwa am eigenen Strafraum eine Unkonzentriertheit und verursachte ebenfalls einen Elfmeter, den Julian Meier überlegt zum 1:3 aus Wattenscheid-Sicht einschob (43.). Während gefühlt das Raunen über diesen unnötigen Gegentreffer noch durch den Gästeblock zog, wurde es einen Moment später vom nächsten Torjubel abgelöst. Im direkten Gegenzug war es wieder Wegkamp, der mit seinem nächsten Doppelpack den alten Abstand wiederherstellte – 4:1 (44.). Ein unglaubliches Spiel bis zu diesem Zeitpunkt, das sich aber auch mit dem Pausentee nicht beruhigte.
Nach Wiederanpfiff dauerte es erneut keine drei Minuten, da zappelte der Ball im Netz – diesmal mit freundlicher Einladung des SCP. Anstatt den Ball im eigenen Strafraum unter Bedrängnis zu klären, wollte Max Schulze Niehues die Szene spielerisch klären, brachte Niko Koulis dabei aber so unglücklich in die Bredouille, dass er den nächsten Elfmeter verursachte. Diesmal trat Dennis Knabe an und vollstreckte ganz sicher zum 4:2 (48.). Die hohe Schlagzahl wurde auch danach nicht weniger. Erst verletzte sich Alexander Hahn, für ihn kam Dildar Atamaca in die Mannschaft, Alexander Langlitz rückte dafür in die Dreierkette. Danach musste auch Gerrit Wegkamp behandelt werden, konnte glücklicherweise aber weitermachen, ansonsten hätte die Preußen in Unterzahl agieren müssen, weil sie schon viermal gewechselt hatten. Wovon die Adlerträger verschont blieben, erwischte dann Wattenscheid. Torschütze Knabe traf Langlitz beim Kopfballduell mit dem Ellbogen im Gesicht und sah dafür zurecht seine zweite Gelbe. Er konnte Duschen gehen. Am Spiel selbst änderte sich dadurch aber nicht viel, es ging weiter wild hin und her. So hätten Wegkamp und Wooten jeweils auf 5:2 stellen können, ließen die Chancen aber ungenutzt. Und es kam, was zum Nachmittag passte: Nach einem schönen Spielzug verkürzte Wattenscheid in Unterzahl auf 3:4 (78.). Als hätte als das nicht schon gereicht, fehlten sechs Minuten vor Schluss nur Zentimeter zur Vorentscheidung, Alexander Langlitz Abpraller, der nach einer Ecke angeschossen wurde, traf aber nur den Pfosten und rollte dann über die Linie, wo der Ball geklärt werden konnte.
Vorbei war dieser Nachmittag aber auch damit noch lange nicht. In der zweiten Minute der Nachspielzeit war es wieder die Preußendefensive, die nicht auf der Höhe war und dafür sorgte, dass Wattenscheid etwas, was eigentlich unmöglich sein sollte, schaffe. Auf einmal stand es 4:4 (90.+2). Und jetzt wiederholen wir uns: An einem normalen Tag wäre das mit Sicherheit das unfassbar bittere, aber auch selbstverschuldete Ende gewesen. Aber nicht heute. Und wer sonst als Vereinsurgestein Simon Scherder sollte diesem Spiel die Krone aufsetzen. Dabei verpasste auch er erst noch knapp mit einem Kopfball den großen Schlusspunkt. Die nachfolgende Ecke wurde aber dann zum Moment, der in die Geschichtsbücher eingeht. Und erneut war es eben Scherder, der diesmal den Ball über die Linie drückte – 5:4 (90.+6). Es war der einzige Schlusspunkt, der möglich war. Und der Schlusspunkt, der die 1.600 Preußenfans im Lohrheidestadion endgültig von den Plätzen riss und für einen Torjubel sorgte, der so emotional wie selten war. Wer all das anhand dieser Zeilen nicht ganz nachvollziehen kann, dem sei das Video zum Torjubel ans Herz gelegt. Einfach unten kneistern.
Die Daten zum Spiel
SCP: Schulze Niehues – Koulis, Kok (Scherder, 46.), Hahn (Atmaca, 64.) – Teklab (Langlitz, 55.), Remberg, Oubeyapwa (Bouchama, 55.), Grote, Lorenz – Wooten, Wegkamp
Wattenscheid: Neufeld – Sindermann, Brdaric, Schurig, Britscho – Tunga, Meier (Canbulut, 46.) – Sane (Yildiz, 46.), Lucas, Renke – Knabe
Tore: 1:0 Wooten (10.), Wegkamp (12.), 3:0 Lorenz (40.), 3:1 Meier (43.), 4:1 Wegkamp (44.), 4:2 Knabe (48.), 4:3 Yildiz (78.), 4:4 Brdaric (90.+2.), 5:4 Scherder (90.+6.)
Gelbe Karten: Kok, Koulis
Gelb-Rote Karte: Knabe
Zuschauer: 2.709
Schiedsrichter: Lars Aarts