Diesen Pokalabend werden die gut 11.000 Preußenfans, die am Dienstagabend an der Hammer Straße vor Ort waren, wohl nicht so schnell vergessen. Gegen den Bundesligisten Hertha BSC haben die Adlerträger, trotz der 1:3-Niederlage, einen überragenden Auftritt gezeigt und über weite Strecken keinen großen Ligenunterschied erkennen lassen. Und das, obwohl die Münsteraner in Durchgang eins mit einem frühen Gegentor und einer gelb-roten Karte zwei ordentliche Rückschläge verkraften mussten. Erst in der Schlussphase spielte die „Alte Dame“ dann ihre Stärken konsequent aus und zog, auch wenn die Münsteraner an der Sensation arbeiteten, ins Achtelfinale des DFB-Pokals ein.
Ohne eine Veränderung in der Startelf hatte Trainer Sascha Hildmann seine Elf in die Partie geschickt und damit der Mannschaft das Vertrauen geschenkt, die zuletzt in Bonn die Aufgabe souverän gelöst hatte. Mit Simon Scherder kehrte zudem eine Stammkraft wieder in den Kader zurück, die neben Manuel Farrona Pulido, Luke Hemmerich, Joshua Holtby, Jannik Borgmann und Deniz Bindemann auf einer stark besetzten Bank Platz nahm.
ACHTERBAHN DER GEFÜHLE
Die erste Gänsehaut am Dienstagabend gab es schon vor dem Anpfiff. Das Preußenstadion war prächtig gefüllt, die DFB-Pokal-Einlaufmusik schallte durch die Lautsprecher und die Mannschaften liefen ins flutlicht-getauchte Rund ein. So schön diese Sekunden waren, so ernüchternd war der Start. Die „Alte Dame“ ließ ihre Qualität nach drei Minuten ein erstes Mal aufblitzen und am Ende eines schönen Angriffs vollstreckte Stevan Jovetic eiskalt zur frühen Gästeführung – 0:1 (3.). Wer aber jetzt erwartete, dass der Bundesligist seiner Favoritenrolle gerecht werden und die Preußen in die Schranken weißen würde, der sollte sich wundern. Nach ein paar Augenblicken, in denen die Adlerträger diesen ersten Schock verdauen und ein, zwei weitere Möglichkeiten überstehen mussten, fanden sie immer besser ins Spiel und begannen, selbst ihre Stärken auszuspielen. Nach einer Viertelstunde eroberte Henok Teklab nach starkem Pressing am gegnerischen Sechzehner den Ball und bediente nach einem Dribbling Thorben Deters am Fünfmeterraum, der den Ball im Grätschen aber nicht mehr sauber erwischte. Hertha-Keeper Alexander Schwolow konnte so noch rechtzeitig abtauchen und den Ball aus dem Eck fischen. Spätestens mit dieser Situation war dann auch das Preußenstadion on fire, das ohrenbetäubend laut wurde.
Und das übertrug sich. Die Adlerträger waren jetzt die bessere Mannschaft auf dem Platz, kamen durch einen Kopfball von Gerrit Wegkamp zu einer nächsten Chance. Eine Phase, die gegen einen Gegner dieser Qualität alles andere als selbstverständlich ist. Als es vor der Pause dann eigentlich den Anschein machte, der Bundesligist würde das Geschehen wieder besser in den Griff bekommen, explodierte die Hammer Straße. Erst umkurvte Alexander Langlitz nach schöner Vorarbeit von Henok Teklab Schlussmann Schwolow, aus spitzem Winkel traf er aber nur noch den Pfosten. Die Szene war aber noch nicht vorbei. Das Leder landete bei Thorben Deters, der aus schwieriger Position und durch mehrere Hertha-Beine hindruch die goldene Lücke fand und zum verdienten 1:1-Ausgleich traf (43.). Was für eine Moral. Das Stadion bebte, sollte aber leider noch vor der Pause ein zweites Mal geschockt werden. Bei einem weiteren Angriff ging der bereits verwarnte Nicolai Remberg im BSC-Strafraum zu Boden. Schiedsrichter Frank Willenborg unterbrach und pfiff, zeigte dem Adlerträger allerdings die gelbe Karte für eine Schwalbe. In Summe also gelb-rot, die Preußen in Unterzahl. Was für einer Achterbahnfahrt der Gefühle, mit der es für die Münsteraner in die Pause ging.
AUCH IN UNTERZAHL ÜBERRAGEND
Das Drama ging aber ohne Unterbrechung nach der Pause weiter. Auch in Unterzahl waren es die Preußen, die besser ins Spiel fanden und Druck auf die Herthaner ausübten. Als dann ein Schuss von Thorben Deters im Strafraum am Arm von Dedryck Boyata landete, tobten die 11.000 im Preußenstadion erneut. Gästetrainer Pal Dardai reagierte und brachte mit Suat Serdar und Marco Richter weitere Qualität auf den Rasen. Später im Spiel folgten noch Ishak Belfodil und Krzysztof Piatek. Aber allein, was die Adlerträger bis zu diesem Zeitpunkt ablieferten, war unbeschreiblich. Und es sollte nicht aufhören. Zwar fand Hertha nach einer guten Stunde zu mehr Ballbesitzphasen, aber der Bundesligist spielte auch in Überzahl. Die Hausherren strahlten aber trotz allem immernoch eine gewisse Gefahr aus, wirkten nie aus dem Spiel.
Leider sollte aber passieren, was so oft passiert. Am Ende eines Einwurfs und einer unübersichtlichen Szene war es Ishak Belfodil, der einen Abpraller im Netz versenkte (79.). Angedeutet hatte sich das nicht so wirklich, passiert ist es dennoch. Und als Marco Richter wiederum nur vier Minuten später das 1:3 aus Preußensicht nachlegte, war die Partie entschieden (83.). Dass das aber erst so kurz vor Schluss der Fall war, nachdem die Adlerträger früh in Rückstand gegangen und die zweite Hälfte in Unterzahl gespielt haben, unterstreicht die grandiose Leistung der Preußen. Das honorierte auch das Preußenstadion, dass die Adlerträger noch minutenlang nach Schlusspfif mit stehenden Ovationen belohnte.
DIE DATEN ZUM SPIEL
SCP: Schulze Niehues – Schauerte, Ziegele, Hoffmeier, Thiel (Dahlke, 84.) – Remberg, Klann, Deters (Farrona Pulido, 82.) – Langlitz (Hemmerich, 69.), Wegkamp, Teklab
Hertha: Schwolow – Zeefuik, Gechter, Boyata, Plattenhardt – Tousart, Darida (Serddar, 54.) – Ekkelenkamp (Richter, 54.), Jovetic (Maolida, 77.), Jastremski (Belfodil, 71.) – Selke (Piatek, 77.)
Tore: 0:1 Jovetic (3.), 1:1 Deters (43.), 1:2 Belfodil (79.), 1:3 Richter (83.)
Gelbe Karten: Remberg, Schauerte, Langlitz, Klann / Ekkelenkamp, Belfodil
Zuschauer: 11.037
Schiedsrichter: Frank Willenborg