Das Preußenstadion ist ohne jede Übertreibung ein geschichtsträchiger Ort. Ein Ort, der für (sport-)historische Momente steht. Und so reiht er sich nahtlos in eine Stadt ein, die selbst europäische Geschichte geschrieben hat. Ganz so staatstragend waren die Ereignisse an der Hammer Straße nicht. Es wurden keine dreißigjährigen Kriege beendet aber so manche Schlachten geschlagen.

Bei seiner Fertigstellung 1926 galt das Rund als eine der modernsten Spielstätten Europas – aus heutiger Sicht eine ziemlich verrückte Vorstellung. Und so mancher Unkenrufer würde jetzt einwenden, dass sich seitdem ohnehin nicht viel verändert hätte. Am 1. November 1925 wurde an der Stelle, an der wenige Monate später das Stadion errichte wurde, zum ersten Mal im deutschen Rundfunk ein Fußballspiel übertragen. Bernhard Ernst kommentierte direkt hinter dem Tor die Partie gegen Arminia Bielefeld. Fußballgeschichte. Hörfunktgeschichte.

Knapp 40 Jahre später wurde das Preußenstadion erneut Austragungsort einer besonderen Partie, als die 1963 neu gegründete Fußball-Bundesliga dort ihre Geburtsstunde erlebte. Gegner – das weiß in Münster und Hamburg jeder, der es ein wenig mit dem Fußball hält – war der HSV. Am 24. August 63 standen sich die beiden Clubs gegenüber – Anstoß war um 17 Uhr. Eine Sitzplatzkarte kostetet schon damals stattliche 12 D-Mark, ein Stehplatzticket 3,50 D-Mark. Jugendliche, Schwerbehinderte, Soldaten und Studenten zahlten 2 D-Mark, Mitglieder nur eine. Für 60 Pfennig konnte man mit dem Zug vom Hauptbahnhof bis zum stadioneigenen Haltepunkt kommen – Hin- und Rückfahrt versteht sich.

Falk Dörr brachte den Westfälischen Underdog in Führung, Charly Dörfel glich für die Norddeutschen zum 1:1-Endstand aus. Für Preußen Münster standen Herbert Eiteljörge, Heinz-Rüdiger Voß, Helmut Tybussek, Dagmar Drewes, Klaus Bockisch, Werner Lungwitz, Manfred Pohlschmidt, Falk Dörr, Karl-Heinz Kiß, Manfred Rummel und Hermann Lulka auf dem Feld, Trainer war der gebürtige Lauterer Richard Schneider, den unser aktueller Coach Sascha Hildmann gerade erst als Rekordtrainer ablöste. Für den HSV liefen Horst Schnoor, Gerhard Krug, Jürgen Kurbjuhn, Willi Giesemann, Hubert Stapelfeldt, Dieter Seeler, Peter Wulf, Ernst Kreuz, Fritz Boyens, Uwe Seeler und Charly Dörfel auf, Trainer war Martin Wilke.

Mehr als 40.000 Zuschauer (erlaubt waren nur 38.000) drängten sich bis an den Spielfeldrand und machten das Preußenstadion am ersten Spieltag der neugegründeten Spielklasse zum ersten und einzigen ausverkauften Bundesligastadion. Zur Tragik dieses Spiel, oder besser der Saison, gehört aber auch, dass die Münsteraner am Saisonende abstiegen und nie wieder auf die ganz große Fußballbühne zurückkehrten. In die Club-DNA der beiden Kontrahenten ist das Spiel aber auf ewig eingebrannt – auch wenn es bis zum nächste Ligaspiel mehr als 60 Jahre dauern sollte. Und auch diese Partie war etwas besonderes. Die Preußen kehrten 2024 nach mehr als drei Jahrzehnten in die 2. Bundesliga zurück, bestritten ihr zweites Auswärtsspiel der Saison im Hamburger Volksparkstadion. Knapp 8.000 Preußenfans waren dabei und trugen so ihren Teil zu einem unvergesslichen Fußballerlebnis bei, das kein einmaliger Ausflug ins Unterhaus bleiben soll.

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